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In den Wayville Showgrounds
Gestern war meine letzte Klausur für dieses
Semester, wobei ich da ja vorsichtig sein muss. Es gibt ja noch so etwas wie
Nachschreibeklausuren (supplementary exams). Aber vorerst werde ich nicht
mehr an die Wayville Showgrounds zurückkehren.
Das ist hier der Ort, wo man seine Klausuren schreibt. Die Showgrounds sind
eigentlich eine Ansammlung von riesigen, aber leeren Gebäuden. die wohl hin
und wieder für Großveranstaltungen benutzt werden, wie ein Pop-Konzert oder
die jährliche Meisterschaft im Schlammcatchen - Oder eben auch für die
Klausuren der Unis. Man muss sich das so vorstellen: Man kommt dort an, und
sieht die halbe Uni vor den Toren stehen. Zunächst versucht man an einer
Infotafel eine zweistellige Buchstabenkombination zu erfahren, die nachher
von entscheidender Wichtigkeit ist. Dabei muss man sich durch sämtliche
Kleingruppen drücken und sich nebenher dafür entschuldigen, dass man der
netten Asiatin gerade durch ihr Buch gelaufen ist und ihr mitgebrachtes
Kuscheltier in eine Pfütze gekickt hat. Es ist durchaus eine nervliche
Belastung, wenn dann die Information: "International Finance III : LL-MM"
keinen Sinn ergibt. Also da handelt es sich zweifelsohne um meinen Kurs aber
LL-MM??? Das wird wohl eine Ortsbezeichnung sein... aber ich hab das nicht
ganz verstanden und auch nach wiederholtem Blick, ob sich die Tafel nicht
doch noch erbarmte und mir das Geheimnis verriet, stand da immer noch :
"Loser! Leck mich, mate!" Beruhigend war dann, dass ein Aussiegirl das
selbe Problem hatte, und statt der Tafel eben mich mit ihren Fragen
löcherte. Ich konnte ihr zwar auch nicht helfen, aber es bewies ganz klar,
dass ich nicht so bescheuert aussah, wie ich mich im Moment fühlte. Somit
blieb uns erstmal nichts übrig als ein dummes Gesicht zu machen, und dann
mußten wir erstmal anfangen zu lachen. Das war dann schon etwas
beruhigender, aber löste unser Problem natürlich immer noch nicht. Wir
haben dann einen dritten gefragt, der uns das erklärt hat. Es handelte sich
um Sitzreihen innerhalb des Gebäudes. Na da wäre ich ja auch noch
draufgekommen...
Um viertel vor wurden dann die Tore geöffnet, um uns durch Stahlgitter in
die Halle zu treiben. Es ist etwas wie bei einem Stadionbesuch, nur mit dem
Unterschied, dass die Securities (ja, die stehen am Eingang, ich weiß aber
auch nicht warum. Damit niemand vorzeitig abhaut?) keine
Eintrittskarten sehen wollen. Trotzdem fiel mir der Vergleich mit "Schafe an
die Schlachtbank führen" doch etwas leichter, was damit zusammenhängen
könnte, das dieser Kurs verdammt schlecht korrigiert wird. Außerdemwar ich
"lerntaktisch kognitiv suboptimiert" (erstaunlich, wie positiv man das
formulieren kann) in die Klausur gegangen. Auf deutsch: Ich hatte auf ein
zwei Seiten im Buch verzichten müssen, da ich beim Lernen mal ganz dringend
bügeln musste...
Das hatte sich allerdings auch gnadenlos gerächt, denn mein Lücke wurde
ruckzuck
befördert und war sofort nach dem Durchlesen zu zweit. Das Resultat war
dennoch in Ordnung.
Das eigentlich faszinierende an diesen Showgrounds ist dann aber die
Tatsache, dass es tatsächlich unheimlich leise ist, während ungefähr 1000
Studenten um einen rum auf ihren viel zu kleinen Tischen ihre Blätter
umblättern. Diese Stille wird dann aber jäh durch eine Lautsprecheransage
durchbrochen, die erstmal die Instruktionen verliest. Danach werden die
ganzen Druckfehler verlesen, was ein Chemiker natürlich ausdrücklich begrüßt
(wenn man Zahlendreher in den Formeln der Aufgabenstellung hat, kann das ja
auch fatale Folgen haben), ein akademischer Labersack wie meinereiner rollt
mit den Augen.
Die Lautsprecheransagen enden allerdings auch nicht nach der Lesezeit. Die
verschiedenen Klausuren gehen alle unterschiedlich lange, so dass nach 1:20
h alle Studenten, die eine eineinhalbstündige Klausur schreiben aufgefordert
werden, zum Ende zu kommen. Nach weiteren zehn Minuten werden die dann gebeten
abzugeben. Danach wird per Lautsprecher gefragt, ob auch jeder brav abgegeben hat und dann
erst wird die Erlaubnis erteilt aufzustehen, allerdings nur unter der
Bedingung, wenn der Raum ruhig verlassen wird. Danach folgt ein ziemlich
ekelhaftes Geräusch, wenn alle fertigen Studenten zeitgleich ihre Metallstühle und -tische über den nachten Beton ziehen, und fast
gleichzeitig aufstehen. Da ging mir zum ersten Mal ein weiterer Vergleich
durch den Kopf: "Wie im Kommunismus... oder im 3.Reich. Eine Stimme quäkt was aus dem
Lautsprecher und das von Sicherheitsleuten umringte Volk führt es stumm aus..."
Hindmarsh Square
Nach den Klausuren war ich mit ein paar Leuten
abends weg, um den Aktenstaub aus der Kehle zu spülen. Auf dem Nachhauseweg
bin ich noch beim Hungrigen Jakob (Hungry Jacks) vorbeigekommen, und konnte
nicht widerstehen, eine Portion Pommes zu bestellen. Die Bierchen im Magen
schrieen nach Gesellschaft. Wenn man vom Hungry Jacks ein paar Schritte
weiterläuft, kommt man an den Hindmarsh Square, einer der fünf großen Plätze
in Adelaide. Dort kann man sich wunderbar auf ein paar Steinwürfel setzen
und sein Menü zum mitnehmen verputzen. Ich war um diese unchristliche Zeit
natürlich allein dort, aber das war auch nicht so schlimm: ICh hatte ohnehin
keine Lust auf eine Unterhaltung auf Englisch; die Kommunikation
mit der Dame an der Kasse war ohnehin schon schwierig genug gewesen...
Plötzlich aber merke ich aber, wie mich etwas aus der Dunkelheit mit seinen
Riesenaugen anstarrt. Da saß doch im Baum über mir tatsächlich ein
Opossum. Hier in Adelaide sieht man nicht wirklich
viele Tiere, keine streunenden Katzen oder Hunde, nix. Da war die Freude
natürlich groß, dass man als Europäer dann auch noch gleich so ein süüüüßes
kleines Ding zu sehen bekommt. Allerdings sind diese Tiere unheimlich
geschickt. Es hatte mich nämlich ruckzuck dressiert. Robert Redford war der
Pferdeflüsterer, ich war der Opossumfütterer. Bereitwillig teilte ich meine
Pommes mit den Tier, und bin sogar von meinem Steinwürfel aufgestanden, und
habe mich gestreckt, nur um dem fetten Tier die Pommes anzureichen. Gut, die
sind ja wirklich nicht gerade schlank, aber so ein fettes Opossum hatte ich
vorher noch nicht gesehen.
Frei nach Uli Keuler: "... des Eichhörnle war scho so fett, mr' hatts no auf
dr' baum wiadr naufluapfe müasse." Ich weiß ja auch nicht, das letzte Pommes
habe ich natürlich für mich beansprucht, aber irgendwie hatte ich das
Gefühl, dieses handzahme Opossum hat mich mit seinen großen Augen über den
Tisch gezogen. Halb zog es ihn, halb sank er hin und streckte sich bis in
die Wipfel der Bäume: Der mit den Opossums futtert...
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